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Nach Einstiegsqualifizierung beginnt für 16 junge Männer nun die Berufsausbildung

Erster Schultag für Peter-Flüchtlingsklasse

Dienstag, 23. August 2016, 08:55 Uhr
Am 22. August startete die erste Flüchtlingsklasse in die Berufsausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Vor 16 jungen Männern aus Syrien, Eritrea und dem Irak liegen dreieinhalb Jahre Ausbildung.


NORDHAUSEN. Punkt 8 Uhr begann gestern für die erste Flüchtlingsklasse am Staatlichen Berufsschulzentrum Nordhausen der Unterricht. Ibrahim, Michael, Safa und ihre Mitschüler kommen aus Syrien, dem Irak und Eritrea. Für viele von den 16 jungen Männern liegt der letzte richtige Schulbesuch schon eine ganze Weile zurück, sieht man vom Deutschunterricht der vergangenen Monate einmal ab. Zwischen dem Gestern und Heute liegen die Flucht aus ihren Heimatländern und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Chef kam zur Stippvisite
Die meisten der 16 „Jungs“, wie Helmut Peter sie in väterlicher Fürsorge nennt, sind angekommen, fühlen sich hier sicher und wohl. Nun liegen ein Bücherstapel und die erste Mitschrift vor ihnen. Sie haben den Stundenplan notiert und den Namen Rainer Sturm samt E-Mail-Adresse.
Er ist der Klassenlehrer der Peter-Flüchtlingsklasse. Gerade hat er sich mit seinen neuen Schülern und deren persönlichen Schicksalen bekanntgemacht, da schaut Helmut Peter herein. Er will sehen, ob alle pünktlich waren und dem Willen zum Lernen mit ihrer Anwesenheit auch die Tat folgen lassen. Nur ein Schüler hatte sich verspätet, ihm zog der Chef gleich einmal symbolisch die Ohren lang. Die Botschaft ist angekommen, das Lachen aller Anwesenden bestätigt es.

Keine Kompromisse
Doch nun folgt der Ernst. Dreimal pro Woche – von Montag bis Mittwoch – werden die Männer nun die Schulbank drücken und alles über Autos lernen, was sie als künftige Kfz-Mechatroniker wissen müssen. Neben dem Lehrbuch der Kfz-Technik liegt auch ein Sozialkunde-Buch. Beim Blick hinein fällt ein Foto von der Struktur des Bundestages auf. Auch das werden sie lernen. Doch zunächst ist ihr Hauptaugenmerk auf das Fach Deutsch gerichtet.
Umgangssprachliche Redewendungen verstehen und beherrschen sie schon ganz gut. „Lesen geht auch“, sagt Biniam, der 27-jährige Eritreer. „Nur verstehen ist schwer“, ergänzt er beim Blick in ein Lehrbuch. Dabei werden ihm und seinen Mitschülern Deutschlehrerin Maria Roßberg und ihre Kollegen helfen.

Wissensstand ermitteln
Das versichert Schulleiter Ulrich Preiß. „Auch wenn die äußere Hülle bröckelt und wir von der Hand in den Mund leben, so ist das Innere der Schule bestens intakt.“ Will heißen: Sein Team steht trotz spärlicher Ausstattung und mangelhafter Bausubstanz hinter seiner Mission, allen Schülern das Rüstzeug für die berufliche Zukunft zu vermitteln.
„Zunächst müssen wir herausfinden, über welches Wissen die Jungs in den einzelnen Fächern verfügen“, sagt Rainer Sturm. Schließlich waren die Männer in ihrer Heimat Bäcker, Kaufleute, Studenten, angehende Veterinärmediziner und auch Kraftfahrer. Insofern dürfte es für Anton, den 37-jährigen Syrer, am leichtesten werden. Er hat Ahnung von der Materie, hat schon als Fahrer und in einer Werkstatt gearbeitet.

Status bei drei Schülern ungeklärt
Doch in die Freude über den Neustart mischt sich bei Haitham, Safa und Omar eine Menge Angst. Ihr Status ist noch ungeklärt, obwohl sie aus dem Irak kommen, einem Land, das als „nicht sicheres“ Herkunftsland eingestuft wurde. Safa erhielt kürzlich die Aufforderung, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, Omars Aufenthaltserlaubnis ist auf Ende August begrenzt, und Haitham hat noch keine Info über sein Bleiberecht. Wie es in den jungen Männern aussieht, ist schwer nachzuvollziehen. Sie haben die Einstiegsqualifizierung hinter sich, fühlen sich wohl im Peter-Team und wollen nun ihre Ausbildung machen. Der Ernst der Lage steht in ihren Gesichtern geschrieben. Ihr Lächeln ist gequält, denn immer schwingt Angst mit.

Chance nutzen
Vor den 16 Schülern der Flüchtlingsklasse liegen nun dreieinhalb Jahre Ausbildung. „Zweimal stehen Prüfungen an, wie bei allen deutschen Azubis aus“, berichtet Ausbildungsleiter Achit Tölle. „Es gibt keine Ausnahme, alle sind gefordert. Die Reihenfolge der Lernfelder kann modifiziert werden, doch kommen müssen sie alle.“

„Wer gut lernt, der kann in einem halben Jahr den Führerschein machen“, motiviert Helmut Peter „seine Jungs“. Auch Mike Mohring, der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, der zur Stippvisite nach Nordhausen gekommen war, spricht von den Peter-Flüchtlingen als Vorbildern, denen andere folgen könnten, und führt ihnen ihre große Chance vor Augen.

Heute, am 2. Schultag, werden die jungen Männer weitere Lehrer kennenlernen und mehr und mehr in den Schulalltag eintauchen. Erfolg ist ihnen zu wünschen, denn sie wollen lernen, nehmen teils erhebliche Anfahrtswege auf sich - wie Mohammad und sein Cousin Salameh, die jeden Tag aus Heiligenstadt in die Berufsschule nach Nordhausen kommen.

In einem halben Jahr will Maik Mohring wieder vorbeischauen. Dann steht die Zwischenbilanz an. Wie die ausfällt, vermag noch niemand vorauszusagen. Der Weg ist für alle geebnet, der Wille ist da. Nur für DREI ist der Weg noch nicht frei.